17.02.2020

Schnell und zuverlässig kommunizieren

Das Aufgabenspektrum von Fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF) erweitert sich stetig. Die FTF wandeln sich von Fahrzeugen, die einer vorgegebenen Linie folgen, hin zu mobilen Robotern, die Entscheidungen autonomer treffen. Dies bedeutet zugleich aber auch erhöhte Anforderungen an die bestehende Kommunikation.
Technologie

Zum Beispiel sollte die Leitsteuerung schnell neue Routen versenden können, die FTF sollten in Echtzeit mit Maschinen kommunizieren können und sind im besten Fall in der Lage, mögliche Blockaden schnell einander mitzuteilen. Die Kommunikation erfolgt heutzutage meist mittels WLAN. Doch schon jetzt kann das heutige verwendete WLAN nicht alle Anforderungen an eine schnelle und verlässliche Kommunikation erfüllen. Stehen die WLAN-Netze unter hoher Belastung, so kann das zu hohen Latenzzeiten führen. Darüber hinaus herrschen besonders im Industrieumfeld (zum Beispiel in Werkshallen mit viel Metall) mitunter sehr schwierige Funkausbreitungsbedingungen, die für eine verlässliche Kommunikation geeignete Übertragungsmechanismen notwendig machen.

Einführung von 5G für die Industrie

Die Einführung des neuen Kommunikationsstandards 5G scheint viele der zurzeit bestehenden Probleme in der Kommunikation zu lösen [1]. Dieser Artikel befasst sich mit den Chancen und Herausforderungen, die sich durch die Einführung von 5G im Bereich der FTF und der mobilen Robotik ergeben.

Der Funksektor der Internationalen Fernmeldeunion (ITU-R) hat drei Nutzungsszenarien für die fünfte Generation Mobilfunk (5G) als Ziele definiert [2]:

  1. Enhanced Mobile Broadband (eMBB) – Zu jedem Zeitpunkt sollen mobile Breitbanddienste für hochratige Anwendungen unterstützt werden. eMBB ermöglicht sehr hohe Datenübertragungsraten und ist mit maximalen Datenraten von bis zu 10 bis 20 Gigabit pro Sekunde daher unter anderem für das Live-Streaming von hochauflösenden Videos relevant.

  2. Massive Machine Type Communication (mMTC) – Eine Vielzahl von unterschiedlichen Endgeräten (zum Beispiel Sensoren, Aktoren, Fahrzeugen) soll miteinander vernetzt werden können. Dies bedeutet hohe Anforderungen an die Netzkapazität, da das Netz in der Lage sein muss, den Datentransfer all dieser Geräte zu bedienen und zu managen [3].

  3. Ultra Reliable Low Latency Communication (URLLC) – Die Verbindungsqualität, die Verfügbarkeit und die Störfestigkeit sollen stark erhöht werden. Dies ist zum Beispiel für sicherheitskritische Kommunikation wichtig. Eine Kommunikation mit Latenzzeiten von nicht mehr als 1 ms soll gewährleistet werden.

Neben diesen Punkten wird die direkte Kommunikation zwischen verschiedenen Geräten weiter ausgebaut und verbessert [4]. Mit der Einführung von 5G wird es eine Erweiterung der Sidelink-Kommunikation zwischen Mobilfunkteilnehmern im Vergleich zu LTE geben. Abbildung 1 stellt die Funktionsweise der Kommunikation über den Sidelink für FTF exemplarisch dar (Bild 1).

Auf der rechten Seite von Bild 1 ist eine Basisstation zu sehen, deren Netzwerkabdeckung den grünen Bereich abdeckt. Alle FTF im grünen Bereich können direkt mit der Basisstation kommunizieren. Die FTF im blauen Bereich sind außerhalb des Netzwerkbereichs der Basisstation. Mittels Sidelink können sie allerdings weiterhin Informationen durch die benachbarten FTF erhalten, was eine Kommunikation auch ohne Kontakt zur Basisstation ermöglicht [4].

Vorteile für den Anwendungsfall FTF

Die oben genannten Zielvorgaben und Änderungen im Kommunikationsbereich durch 5G ergeben folgende Vorteile mit Fokus auf den Anwendungsfall FTF [5]:

  • Niedrigere Latenzzeiten in der Kommunikation (bis zu minimal 1 ms)

  • Hohe Übertragungsraten (maximale Uploadraten von 10 Gigabit pro Sekunde, maximale Downloadraten von 20 Gigabit pro Sekunde)

  • Sehr hohe Zuverlässigkeit der Nachrichtenübertragung

  • Anschluss von mehr Endgeräten pro Flächeneinheit (bis zu einer Millionen Endgeräte pro Quadratkilometer)

  • Niedrigerer Energieverbrauch auf Nutzerseite (bis zu 90 Prozent geringerer Stromverbrauch im Vergleich zu 4G)

Zu beachten ist hierbei aber, dass nicht alle Vorteile gleichzeitig zu erreichen sein werden. Mit dem nächsten 5G-Standard-Release werden auch nicht alle genannten Ziele von 5G sofort realisiert werden. Aber auch wenn man die Vorteile einzeln betrachtet, bietet 5G viel Potential für den Einsatz von FTF.

Einsatzpotenziale von 5G für FTF

Ein erstes Potenzial liegt in der verbesserten FTF-zu-FTF-Kommunikation, sowohl durch 5G-Sidelink, als auch durch eine schnellere Kommunikation über die Leitsteuerung. Bild 2 stellt ein solches Szenario exemplarisch dar (Bild 2).

Das vorderste FTF erkennt ein Objekt vor sich auf dem Weg. Zurzeit würde dieses FTF das Objekt der Leitsteuerung melden. Anschließend würde ein Update der Route für die nachfolgenden FTF stattfinden. Durch schwierige Empfangsbedingungen (zum Beispiel in Tunneln), kann es dazu kommen, dass die hinteren FTF zu spät über das Hindernis informiert werden.

Durch die Verwendung von 5G kann es zu einer Vermeidung von Staus in diesen Situationen kommen. Mittels 5G-Sidelink könnten die FTF direkt und mit geringen Latenzzeiten kommunizieren, auch wenn keine direkte Netzwerkabdeckung vorhanden ist. Das erste FTF könnte die Information über das Hindernis direkt mit den FTF in seiner Nähe teilen und die Fahrzeuge dahinter ihre Route rechtzeitig neu planen. Diese Art der Kommunikation wäre direkter und schneller, da keine Verarbeitung in der Leitsteuerung stattfinden müsste.

Ein weiteres Potential der Einführung von 5G liegt in der Fähigkeit der Echtzeitkommunikation. Bild 3 zeigt ein Beispiel, in dem ein FTF ein Transportgut zu einem Greifarmroboter bringt.

Die Herausforderung liegt hier in der zeitlich hochaktuellen Übermittelung der Standortkoordinaten des FTF, um eine Übergabe des Transportguts an den Greifarmroboter zu gewährleisten, ohne dass das FTF anhalten muss. Bei der derzeitigen WLAN-Kommunikation kann es zu Verzögerungen bei der Übertragung der Koordinaten von FTF an die Leitsteuerung und an den Greifarmroboter kommen.

Durch die Einführung von 5G kann das FTF entweder direkt über den 5G-Sidelink seine Koordinaten mit dem Greifarmroboter kommunizieren oder alternativ seine Koordinaten mit geringeren Latenzzeiten über die Leitsteuerung an den Greifarmroboter übermitteln. Bild 4 zeigt einen weiteren möglichen Anwendungsfall für die Fernsteuerung von FTF.

Heutzutage findet das Einlernen oder das Ausbessern von Fahrwegen oft noch direkt vor Ort durch Servicemitarbeiter statt. Durch eine Fernsteuerung wäre es möglich, diesen Service aus der Ferne durchzuführen. Dazu müssten Bilddaten live übertragen werden und der Servicemitarbeiter könnte aus der Ferne die Steuerkommandos an das FTF senden. Weiterhin könnten Servicefälle gelöst werden, etwa falls sich ein FTF festgefahren hat und es manuell aus der Situation heraus gesteuert werden muss.

Mit der heutigen WLAN-Kommunikation ist ein Operieren aus der Ferne nur schwer möglich, da auch hier geringe Latenzzeiten und die Übertragung von hohen Datenraten nötig sind.

Die vielfältigen Einsatzpotentiale von 5G lassen sich final erst bewerten, wenn die Tests mit den 5G-Systemen abgeschlossen sind.

Herausforderungen bei der Einführung von 5G für FTF

Aus Gründen der Datensicherheit liegt der Fokus bei 5G für Industrieanwendungen im Moment bei der Verwendung von lokalen Netzen. Hierfür ist die Nutzung des Frequenzbands um 3,7 GHz vorgesehen. Die Beantragung von Lizenzen bei der Bundesnetzagentur für diesen Frequenzbereich ist seit 21. 11. 2019 möglich. Die dazugehörige kommerzielle 5G-Hardware ist dagegen erst langsam verfügbar.

Da es für eine zuverlässige Mobilfunkabdeckung von Vorteil ist, die Indoor- und Outdoor-Netze separat zu planen, braucht es Lösungen, die für die lokalen Netze zugekauft werden müssen. Es fallen Kosten für Basisstationen an, die voraussichtlich über den Kosten von handelsüblichen WLAN-Routern liegen werden. Weiterhin verwendet 5G Frequenzbänder, für die Lizenzen erworben werden müssen. Die Kosten für die Nutzung des 3,7-GHz-Frequenzbands wurden von der Bundesnetzagentur Ende 2019 festgelegt [6]. Firmen, die bereits Erfahrung mit dem Betreiben von WLAN-Netzwerken haben, werden bei der Verwendung von 5G-Systemen neue Kompetenzen aufgebaut haben müssen, besonders im Bereich der Netzwerkkonfiguration und dem Betrieb lokaler Netze.

Bevor eine Einführung von 5G für die Fabrik erfolgt, sollte überprüft werden, ob Wi-Fi 6 auch eine gangbare Alternative ist. Beim Einsatz von Wi-Fi 6 müssten mehrere Wi-Fi-Access-Points installiert werden, um den gleichen kleinzelligen 5G-Ansatz zu erhalten. Im Gegensatz zu kommerzieller 5G-Hardware für lokale Fabriknetze, ist Wi-Fi 6 derzeit schon in der Breite verfügbar.

Wandel der FTF hin zu mobilen Robotern

Die Einführung von 5G bietet viele Möglichkeiten, heute bestehende Probleme mit WLAN zu überwinden. Besonders die geringen Latenzzeiten, die Erhöhung der Zuverlässigkeit und die großen Datenmengen, die übertragen werden können, ermöglichen viele Fortschritte im Bereich der FTF.

Zukünftig wäre auch der Einsatz von Edge-Computing denkbar, mit dem rechenintensive Prozesse von den FTF auf die Cloud verlagert werden. Dies könnte mittelfristig zu einer Kostenersparnis bei den FTF führen und eine bessere übergeordnete Analyse des Gesamtsystems ermöglichen.

Mit der Einführung von 5G wird der Wandel der FTF hin zu mobilen Robotern weiter voranschreiten. Die Fahrzeuge werden in der Lage sein, autonomer zu agieren, aber zugleich auch kooperativer zu handeln. Durch die schnellere und zuverlässigere Kommunikation ist es möglich, dass die FTF als Schwarm interagieren und damit dynamischer und agiler auf Situationen reagieren können.

Ein Teil der Forschungsaktivitäten in diesem Bereich finden für die Robert Bosch GmbH im Projekt „TACNET 4.0“ (KIS15GTI007) [7] statt. In diesem Projekt wird die Entwicklung eines einheitlichen industriellen 5G-Kommunikationssystems erforscht. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Autoren:

Dr.-Ing. Sarah Uttendorf, Junior Manager, Teamleiterin Vorentwicklung Mobile Robotik, Robert Bosch GmbH

Dr.-Ing. Monique Düngen, R&D Projektmanagerin, Corporate Research, Robert Bosch GmbH

Von Redaktion (allg.)

veröffentlich vonTechnische Logistik

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