31.08.2020

Zeitgemäße Kraninspektion

Beschrieben wird die praktische Erfahrung aus dem Hamburger Seehafen, wo die dort eingesetzten Containerkrane mithilfe von Drohnen lückenlos inspiziert werden.1) Die gesammelten Daten wurden zu realistischen 3D-Modellen kombiniert, aus denen dank Programmierung virtuelle Zwillinge entstanden.
Technologie

Kraninspektionen, die bisher von Industriekletterern mit Taschenkameras durchgeführt worden sind, werden im Zuge einer fortschrittlichen technischen Weiterentwicklung bald der Vergangenheit angehören. Eine moderne Inspektion unzugänglicher Infrastruktur nutzt die unbemannte Drohnen-Technologie, die dank hochauflösender Sensorik Schäden am Kran optisch erkennt. Diese Methode reduziert sowohl die Inspektionszeit (d. h. den Stillstand des Kranes), die Gefahr für den Menschen, der sich nicht mehr bei Wind und Wetter abseilen muss, als auch die Kosten für die Inspektion (Drohnen sind sehr kostengünstig geworden). Mithilfe moderner Software können die von den Drohnen erfassten Bilder zu 3D-Modellen kombiniert werden, die Zusatzinformationen und eine verbesserte Objektplanung ermöglichen. In Zukunft sollen die 3D-Modelle zu intelligenten Zwillingsabbildungen führen, die sogar virtuell begehbar sind (Stichwort Virtual Reality). Nachfolgend wird auf die wichtigsten Teilaspekte einer modernen Kraninspektion näher eingegangen.

Kraninspektion mit Drohnen

In einer ersten Analyse [1] konnte im Jahr 2018 herausgefunden werden, dass bei einem Containerkran des chinesischen Herstellers ZPMC mehr als 40 % aller Inspektionspunkte für Menschen unzugänglich waren. Wurden diese Punkte früher noch regelmäßig durch Kletterer relativ langsam und teuer inspiziert, so konnte der Einsatz von Drohnen mit Hochleistungskameras die Inspektion deutlich verbessern, indem die Inspektionszeiten und -kosten reduziert wurden. Aufgrund der freien Flugbahn der Drohne ließen sich Inspektionspunkte nun aus bisher unmöglichen Winkeln prüfen, was die Informationsgewinnung bei einer unbemannten Inspektion deutlich erhöhte. Ein solcher Drohnenflug unterliegt bestimmten rechtlichen Rahmenbedingungen und einer fundierten Risikoabschätzung. Deshalb wird der Einsatz professioneller Drohnenpiloten angeraten. Dies ist jedoch nicht neu, wenn man sich die Anforderung bisheriger Industriekletterer anschaut, und reduziert die Vorteile von Drohnen nicht.

Bild 1 verdeutlicht die erreichbare Genauigkeit der Inspektionsbilder, die bis auf wenige Zentimeter vergrößert werden können und so Markierungen und Schweißnähte aufdecken, selbst wenn sich die Drohne 5 bis 10 m vom Objekt entfernt befindet. Industriekletterer müssen somit nur noch bei konkreten Problemen eingesetzt werden und können künftig wesentlich zielgerichteter arbeiten.

3D-Kranmodelle

Drohnen können auf GPS-gesteuerten Flugbahnen gezielt am betreffenden Inspektionsobjekt entlangfliegen und Bildmaterial aus beliebigen Blickwinkeln liefern. Werden diese Bilder softwaregesteuert miteinander verschmolzen, entsteht ein fotorealistisches 3D-Objekt. Diese sog. Fotogrammmetrie bezieht sich auf eine über 100 Jahre alte Bildtechnik, die durch den Einsatz von Computern und Drohnen heute sehr leistungsfähig, schnell und kostengünstig realisiert werden kann. Durch die Kombination aus Drohne und Software lassen sich gezielte Modelle bestehender Infrastruktur erstellen. Diese können den Kunden, Partnern oder Mitarbeitern auf dem Smartphone oder Tablet auch ohne Online-Zugang präsentiert werden. Im Bild 2 sind Beispiele für die 3D-Vermessung eines Containerkranes dargestellt.

Der virtuelle Kran

Mit Drohnen generierte 3D-Modelle tragen dazu bei, günstig und schnell einen Gesamtüberblick über eine Infrastruktur zu erhalten. Jedoch sind die Funktionen dieser Modelle eingeschränkt. Der Nutzer ist auf das Vorhandensein der Struktur angewiesen, damit diese per Drohne erfasst werden kann. Wird ein weiterer Schritt in die Zukunft gegangen, dann wären 3D-Modelle virtuell so programmierbar, dass ihnen Funktionen und Animationen zugewiesen werden könnten. Das Prinzip der virtuellen Planung ist durch drei Jahrzehnte CAD-Verarbeitung eigentlich keine Innovation per se. Die CAD-Planung war und ist jedoch sehr kostenintensiv und liefert eine Genauigkeit, die oftmals aus Anwendersicht über das Ziel hinausschießt. Durch die Nutzung moderner Anwendungen aus der Computerspielebranche ist es möglich, 3D-Umgebungen jeder Art kostengünstig in das Tagesgeschäft der Kraninspektion zu überführen. Im Beispiel (Bild 3) wurde das 3D-Drohnenmodell virtuell ersetzt, wobei jeder Aspekt des Modells ein eigenes Bauteil mit einer eigenen programmierbaren Intelligenz darstellt. So kann das Modell kommunizieren, sofern es als Interface an eine Datenbank angeschlossen wird. Interface oder GUI (Graphical User Interface) bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das virtuelle Kranmodell als eine Benutzeroberfläche ähnlich anderer Software angewendet und an die Anforderungen des Nutzers angepasst wird. Durch das Hinterlegen von sog. Physik-Engines können realistische Simulationen quasi per Knopfdruck durchgeführt werden. Das Schweben durch den Kran ist ebenso möglich wie der virtuelle Rundgang durch den Kran, wodurch künftig ein völlig neues Konzept der Schulung und Ausbildung denkbar ist. Zu den ersten Funktionsbeispielen virtueller Zwillingsmodelle gehört die Identifizierung inspektionsrelevanter Bereiche (Bild 3, links). Möglich ist auch die Verknüpfung von Inspektionsinformationen eines bestimmten Bauteils mit historischen Drohnenbildern (Bild 3, rechts).

Fazit und Ausblick

Die nahezu kontaktlose Inspektion von Krananlagen mit Drohnen ist seit 2018 in der Praxis erprobt. Die Drohnenbilder liefern eine lückenlose und hochauflösende Inspektion unzugänglicher Bereiche. Die Fülle der gesammelten Informationen ist die Basis dafür, um mithilfe von Computern exakte 3D-Replikationen der Infrastruktur zu generieren. Mit moderner Programmierung, adaptiert aus der Computerspielebranche, lässt sich eine virtuelle Welt erschaffen. Infrastrukturen wie beispielsweise Krane müssen nicht mehr nur auf dem Papier geplant und besprochen werden, sondern sind für Kunden, Partner und Monteure erlebbar zu machen. Das künftige Online-Meeting wird daher (mit einem Kaffee in der Hand) in simulierter Höhe von 80 m direkt auf dem Kran stattfinden. Geplante Arbeiten und Nachrüstungen werden dem Kunden nicht mehr beschrieben, sondern vor seinem Auge simuliert.

Das betriebswirtschaftliche Potenzial moderner Technologien ist ein Grund dafür, das bisherige Herangehen an Inspektionen, Bauplanung und Management von Kranen zu überdenken. Diejenigen Unternehmen (Hersteller, Nutzer oder Dienstleister), die es schaffen, Strukturen nicht nur zu beschreiben, sondern sie ihren Kunden auch erlebbar zu machen, werden einen klaren Marktvorteil erzielen.

Von Redaktion (allg.)

veröffentlich vonTechnische Logistik

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