23.07.2020
Technik für die Zukunft
Das Gewicht einbaufertiger Batterien für E-Stapler kann bis zu drei Tonnen betragen. Um deren Montage mitarbeiterfreundlich und wirtschaftlich zu gestalten, setzt das Batterien-Montage-Zentrum (BMZ) auf innovative Transportsysteme.Lithium-Ionen-Batterien boomen seit Jahren. Ein Umstand, von dem die BMZ-Gruppe profitiert (siehe Kasten). Das Unternehmen, das Lithium-Ionen-Batterien für Anwendungen vom Ein-Zeller bis hin zum tonnenschweren Hochvolt-System herstellt, wächst kontinuierlich im zweistelligen Prozentbereich. Zur Produktpalette gehören mittlerweile Batteriesysteme für E-Bikes, Power- und Gardentools, Medical Devices, für Energiespeicher, E-Fahrzeuge sowie industrielle Einsatzzwecke. Jeder Akku wird speziell auf die Anforderungen des Kunden und der Applikation entwickelt.
Großen Wert legt die BMZ-Gruppe darauf, Lösungen aus einer Hand zu bieten, von der Entwicklung – rund 250 neue Produkte entstehen jährlich bei BMZ – über den Musterbau und hauseigene Testlabors bis hin zur Serienfertigung, die zu einem großen Teil in Karlstein bei Aschaffenburg stattfindet. Unter Fertigung versteht BMZ die Montage beziehungsweise Konfektionierung der Batterien. Das heißt, die einzelnen Batteriezellen werden in einem Gehäuse mit entsprechender Elektronik und einem Batteriemanagementsystem zu fertigen Batteriepacks in unterschiedlicher Größenordnung verbaut.
Zum Beispiel: Linde Material Handling GmbH. Das zu den weltweit führenden Stapler-Herstellern gehörende Unternehmen bezieht seit etwa fünf Jahren die Batterien für seine E-Flotte von BMZ. Mit dem neuen Kunden zog auch eine neue Gewichtsklasse in die Produktionshallen von BMZ ein. Über eine Tonne schwer, lassen sich diese Bauteile nicht mehr manuell bewegen. Die Folge: BMZ investierte in Transportsysteme, um die Batterien über mehrere Montagestationen hinweg automatisiert zu fördern.
Ergonomische Lösung für tonnenschwere Batterien
Nach umfangreicher Recherche im Internet und dem Betrachten verschiedener Förderlösungen bei anderen Unternehmen entschied sich BMZ, die zwei Montagelinien mit Tragkettenförderer mit Staurollen- und Rollentechnik von der Knoll Maschinenbau GmbH, mit Sitz in Bad Saulgau, ausstatten zu lassen.
Frank Seither, Teamleiter Lean Production und für die Planung der Montageanlagen hinsichtlich Taktung, Materialbereitstellung etc. verantwortlich, erklärt: „Gegenüber anderen Förderlösungen, etwa mit fahrerlosen Transporteinheiten, Niederhubwagen oder Flurförderfahrzeugen bietet eine solche Linie den Vorteil, dass die Bauteile ohne weiteres Zutun des Werkers von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz transportiert werden.“ Die Arbeitsplätze sind mit einem Hubtisch ausgestattet, damit individuell höhenverstell- und drehbar. Das spart Zeit und ist für die Mitarbeiter ergonomisch vorteilhaft.
Als Gründe für die Entscheidung pro Knoll nennt der Planer das Gesamtpaket von technischer Kompetenz, intensiver Betreuung, einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis und der Bereitschaft, die individuellen Anforderungen umzusetzen. „Was uns besonders gut am Knoll-Transportsystem vom Typ TS-S und TS-G gefallen hat, war die Umsetzung von niedriger Tragkettentechnik mit einem umgebenden Podest, das ohne bauliche Veränderung am Hallenboden für eine ebene Fläche ohne Stolperkanten sorgt – und dazu die raffinierte Kombination aus Transportwagen und separaten, flachen Werkstückträgern.“
Das heißt, die zu bestückenden Batteriegehäuse werden auf einen plattenförmigen Werkstückträger mit werkseigenem Aufbau gerüstet, der wiederum auf einem Transportwagen mit Rollen via Routenzug oder Manipulator zum Band gebracht wird. Fürs Ein- und Ausschleusen des Werkstückträgers steht eine von Knoll entwickelte, automatische Ein-/Auszugshilfe zur Verfügung. „Dieses System war für uns von großer Bedeutung, da wir so hinderliche Rollen etc. an den Arbeitsstationen vermeiden“, sagt Seither.
Ein weiterer Schlüsselvorteil war das Konzept, die Werkstückträger mit einem nachfolgenden Materialträger zu kombinieren. „Manche zu verbauende Komponenten haben ein so hohes Eigengewicht, dass wir sie im Kanban-Regal nicht zur Verfügung stellen können“, erklärt der Lean-Team-Leiter. „Zudem benötigen wir vormontierte Baugruppen, die bereits so groß sind, dass sie nicht ins Regal passen. Daher ist es hilfreich, diese Teile gemeinsam mit dem Werkstückträger zu fördern. Zusammenfassend gesagt: Uns erschien das Knoll-Angebot als ideal für unsere Zwecke.“
Zwei Linien sind seit 2016 erfolgreich in Betrieb
Die erste Montageanlage wurde Ende 2015 für Batteriepacks mit bis zu 1,5 Tonnen Gewicht konzipiert und nahm schon Anfang 2016 ihren Betrieb auf. „Die Zusammenarbeit mit Knoll war intensiv und auf hohem technischen Niveau, so dass wir schon während der Eruierungsphase fast alle Details klären konnten. Das beschleunigte die Umsetzung enorm“, bestätigt Seither.
Zunächst nutzte BMZ diese Linie, um Batterien für den E-Lastwagen „Street Scooter“ zu montieren. Diese Arbeit erfolgte vorher noch manuell. Mit dem automatisierten Transport stieg die Produktivität sprunghaft an: von 20 Batterien pro Woche auf 20 Stück am Tag. „Klar, wir stellten wegen des gestiegenen Bedarfs auch mehr Manpower zur Verfügung“, relativiert Seither. „Aber diese Menge hätte sich schon aufgrund des Platzbedarfs in Boxenmontage kaum bewältigen lassen.“
Heute entstehen auf der ehemaligen „Street Scooter“-Linie Energiespeicherprodukte von nur knapp 100 Kilogram Gewicht. Ein Umstand, dem Jürgen Perlich, Leiter Industrial Engineering, durchaus Positives abgewinnen kann: „Das Schöne an einer solchen Anlage ist, dass wir sie universell nutzen können, wenn Produktionskapazität frei ist.“ Perlichs Abteilung ist für den Aufbau der Standardelemente und den Betrieb der Anlage bzw. deren Wartung zuständig.
Staplerbatterien in 120 Varianten
Die zweite Montagelinie – für Bauteile bis zu 2,5 Tonnen – ging im Oktober 2016 in Betrieb. Auf ihr baut BMZ die erwähnten Batteriepacks für Linde-Stapler in derzeit 120 verschiedenen Varianten. Der Ablauf der gewissermaßen in Stückzahl 1 stattfindenden Montage ist folgender: Zunächst wird das leere Gehäuse, der sogenannte Trog, in die Linie geschleust. Dies ist ein Stahlkörper mit 10 bis 15 Millimeter Wandstärke, der allein bereits 500 Kilogramm wiegt. „Das hohe Gewicht ist vom Kunden so ausgelegt, dass die Batterie das notwendige Gegengewicht auf dem Stapler bildet“, erklärt Perlich.
Nach dem Einschleusen durchläuft der Werkstückträger vier Arbeitsstationen. Dort werden die einzelnen Zellen in den Trog platziert, untereinander elektrisch verschaltet und mit einem Batteriemanagementsystem, der sogenannten Technikraumplatte, ergänzt. Alle 20 Minuten taktet das System weiter. Die Positionierung ist mittels Stopper realisiert. „Aufgrund der Variantenfertigung lässt sich der Arbeitstakt nicht zu 100 Prozent optimieren. Aber die Nähe der Stationen ermöglicht es den Werkern, sich bei freier Kapazität gegenseitig zu unterstützen.“ An der letzten Station wird der Trog mit einem Deckel verschlossen und anschließend ausgeschleust. Auf einem Transportwagen geht die finale Batterie in die Endprüfung, die außerhalb der Linie stattfindet.
Kapazitätsausbau mit weiteren Transportsystemen
Stand Januar 2020: Da der Bedarf für Stapler-Batterien wächst, baut BMZ eine weitere Halle für zwei Montagelinien, die sich in der Fertigstellungsphase befinden. Anfang Mai werden hierfür die Transportsysteme geliefert. Dirk Trumpfheller, dessen Abteilung Production Engineering für das Erstellen der Lastenhefte sowie für die Beschaffung von Sondermaschinen und Einführung neuer Technologien zuständig ist, erklärt: „Die Transportbänder für die neuen Montagelinien gehen über Standardkomponenten hinaus, weshalb unsere Abteilung mit im Boot ist.“ Der Auftrag ging wieder an Knoll, auch wenn im Vorfeld Angebote anderer Anbieter eingeholt wurden.
In den Grundzügen sind die neuen, jetzt für Produktgewichte bis drei Tonnen ausgelegten Montagelinien ähnlich aufgebaut wie die beiden ersten. So hat BMZ das Konzept aus Transportwagen, Werkstück- und begleitendem Materialträger beibehalten – auch das „zinkenfreie“ Fördern ohne Gabelstapler. Da mancher Trog auf einer Sonderpalette steht, darf der Batteriehersteller nicht an Euro-Paletten gebunden sein. Dirk Trumpfheller betont: „Das System aus Knoll-Transportwagen und Werkstückträger ist optimal für unseren gesamten Logistikumlauf geeignet, denn wir können auf ihnen die Bauteile nach der Montage noch Prüfanlagen, Ladegeräten etc. zur Verfügung stellen“.
Vernetzt und verstärkt automatisiert
Was die Anlagensteuerung anbelangt, richtet sich BMZ neu aus. Während die bisherigen Montagelinien gewissermaßen autark liefen, kommunizieren sie zukünftig mit einem übergeordneten Steuerungssystem. Auch der Werker erhält seine Arbeitsanweisungen ausschließlich in digitaler Form. Durch interaktiven Dialog ist es möglich, nicht abgearbeitete Arbeitsbereiche zu erkennen und gegebenenfalls das Weiterfördern zu blockieren. Das gilt zum Beispiel für prüfpflichtige Verschraubungen, die nun getrackt werden und mit einem Kontrollsystem gekoppelt sind. BMZ implementierte zudem sogenannte Quality-Gates in die neuen Montageanlagen, die beispielsweise das Produktgewicht betreffen. Das heißt, am letzten Arbeitsplatz wird das Bauteil gewogen. Über eine zu einem Referenzwert auftretende Gewichtsdifferenz lässt sich feststellen, ob alle Komponenten verbaut sind bzw. welche Teile fehlen. Außerdem nutzen die Batteriehersteller jetzt für jedes Produkt einen RFID-Tag zur Werkstückträgererkennung. Damit lassen sich die Bauteile in der Linie tracken und mit wichtigen Informationen ausstatten. Im Falle eines Batteriebrands wurde bereits in der Planungsphase ein Ausschleuseszenario fest definiert, um die Batterie im Notfall aus dem Montageprozess auszuschleusen. (jak)
Von Redaktion (allg.)
veröffentlich vonTechnische Logistik